Digitalisierung während einer Krise - Wieso jetzt trotzdem nicht jeder einen Webshop braucht

Warum viele aktuelle Maßnahmen und Angebote in die falsche Richtung gehen und auf was wir uns alle besinnen sollten.
Kurzer Disclaimer: Dieser Post ist am 15. Mai 2020 geschrieben, an dem Tag, wo in Österreich bereits viele Geschäfte wieder geöffnet sind und sogar Lokale und Restaurants unter bestimmten Vorkehrungen wieder aufsperren dürfen. Da viele Dinge im Wandel sind, sollte man den Zeitaspekt im Kopf behalten, wenn man diesen Beitrag in Zukunft liest.

Die Zeit vor COVID-19

Ein Foto, das heute richtig seltsam anmutet - Menschen beim Überqueren einer Straße. Ohne Masken und oft mit weniger als einem Meter Abstand.

Auch wenn sich aktuell die „Zeit vor COVID“ anfühlt, als wäre sie schon Jahrzehnte her, war es erst vor rund 5 Monaten, dass wir das Neujahr im Freundes- oder Familienkreis willkommen hießen. In Restaurants konnten Gäste so eng, wie es die Sittlichkeit erlaubte, zusammen sitzen. Menschen standen an den Kassen so nah aneinander, dass man sich manchmal schon fast fragte, ob man seiner Freundin einen Seitensprung beichten sollte und beim Gebäckregal prüfte jeder die verschiedenen Brote und Weckerl im Regal auf die Frische - ganz ohne (allzu) schlechtes Gewissen.

Viele Unternehmen hatten keine Webseite, keinen Social-Media-Auftritt, keinen Online-Shop. Ich habe in den letzten 8 Jahren meiner Arbeit mit vielen Einzelunternehmen sowie kleinen und mittleren Betrieben zusammengearbeitet und für viele dieser Kunden auch Webseiten oder Webshops erstellt - Blumengeschäfte, Tortenbäcker, Winzer, Künstler, Modedesigner … Oft waren diese Aufträge mit viel Aufklärungsarbeit verbunden, was die potentiellen Vorteile einer durchdachten Webseite, eines gut gewarteten Facebook-Kontos oder Instagram-Profils sind, und warum diese Dinge für ein Unternehmen eine sinnvolle Investition sein können. „Ich brauche sowas nicht, es läuft eh gut und ich kenn mich nicht mit dem ganzen Computer-Zeug aus.“ - Wie oft ich diesen Satz in verschiedenen Versionen gehört habe, kann ich nicht mehr sagen.

Digitalisierung! Jetzt! Auf Biegen und Brechen.

Viel mehr Nutzer als zuvor sind aktuell zuhause und kaufen online ein. Aber bedeutet das zwangsweise, dass alle Unternehmen einen teuren Online-Shop brauchen?

Nun ist alles anders. Restaurants müssen die Tische reduzieren, um die Mindestabstände einzuhalten. An der Kassa im Supermarkt wird mindestens ein Meter Abstand zwischen Personen eingehalten - wer das nicht tut riskiert wütende Blicke von seinem Gegenüber. Generell geht man wirklich nur dann einkaufen, wenn der Kühlschrank absolut nichts mehr hergibt - oder man bestellt die Lebensmittel gleich online.

Und die KMUs ohne Webseite oder anderer Online-Präsenz? Die Blumengeschäfte? Die Tortenbäcker? Die Winzer? Eben jenen Unternehmen muss nun sehr schnell geholfen werden dachten die Politiker. Unzählige Förderungen wurden und werden nach wie vor ins Leben gerufen: zur Digitalisierung, für Home-Office-Plätze, für Webshops, für Beratung. Jetzt muss alles ganz schnell gehen und der Übergang hin zur Digitalisierung des Einzelhandels und der KMU-Landschaft Österreichs, der die letzten 10 Jahre, seit denen ich mich mit dem Online-Bereich beschäftige, nur schleppend langsam vonstatten gegangen ist, sollte nun innerhalb von wenigen Monaten, ja sogar Wochen absolviert werden.

Die Euphorie erleidet dann doch einige Dämpfer

Anfangs war auch meine Euphorie groß, da ein großes Hindernis, vor allem für kleine Betriebe, aus dem Weg geschafft schien: das Budget. Doch die Euphorie erlitt einen jähen Dämpfer, als ich mit Kunden bzw. potentiellen Kunden sprach. Bei vielen war eine Lethargie, Müdigkeit, Desinteresse oder negative Einstellung gegenüber den Förderanträgen zu spüren. Oft hieß es, die Anträge seien zu kompliziert oder es mangelte einfach an der notwendigen Grundmotivation, sich mit der Materie „Online“ auseinanderzusetzen. Manche, die es geschafft hatten die Anträge einzureichen, waren spätestens dann demotiviert, als es seitens der Förderstelle hieß, dass man sich auf mindestens 3 Wochen Wartezeit einstellen muss, bis man erfährt, ob man förderungswürdig ist, oder nicht. Das erzeugt sicherlich keine Zuversicht auf Unternehmerseite und aufgrund der unsicheren finanziellen Situation werden sich viele hüten, in Vorleistung zu treten.

Ok, die Förderung ist da - und nun?

Die Förderung wurde zugesagt, das Budget ist freigegeben und das Projekt “Webseite” oder “Webshop” kann gestartet werden. Doch was nun?

Viele kleine und mittlere Betriebe tun sich schwer, überhaupt zeitnah herauszufinden, was sie brauchen oder schnaufen zu Recht in dem Moment, wenn es dann um das Bereitstellen von Inhalten, Texten, Fotos und das Fixieren von Strukturen und Funktionen der Webseite oder des Online-Shops geht. Man hat die Ressourcen bereitgestellt. trägt das Risiko, und nun soll man in Windeseile zum Content-Experten werden?

Auch sind es viele Agenturen und Freelancer einfach nicht gewohnt, KMUs zu erklären, wieso sie was brauchen. Eine sinnvolle und langfristig erfolgreiche Online-Präsenz zu erstellen braucht Zeit, Energie, Motivation und Interesse - von beiden Seiten! In Zeiten wie diesen sind alle vier dieser Elemente oftmals Mangelware.

Die Gefahr - Schnellschüsse, die am Ziel vorbeischießen

Die dann schnell entstehenden Schnellschüsse sind oftmals nicht das, was man sich erhofft. Der Webshop entpuppt sich als mehr Arbeit als man gedacht hat, ohne begleitender Suchmaschinenoptimierung oder Werbekampagne kommt keiner auf die Seite und die eigenen Kenntnisse reichen nicht aus, um den schnell aufgestellten Webshop zu verwalten. Die Website, die nun in ein paar Wochen erstellt wurde und viel Geld gekostet hat, ist auf schnell-schnell mit einem völlig unpassenden und verpfuschten Theme umgesetzt worden, die eine Wartung oder spätere Anpassung schwierig bis unmöglich gestaltet.

Ich weiß, dass das oftmals so passiert, weil ich selbst in der Vergangenheit ebenfalls in diese stressigen Situationen gerutscht bin und in solchen dann nicht meine besten und einfach zu wartenden Webseiten erstellt habe. Ich erkenne dieselben Muster aktuell bei vielen Webseiten und Webshops die nun aus dem Boden schießen.

Daher sage ich: Schnelligkeit, Überforderung auf Kundenseite und unsichere Finanzen sind nicht die Zutaten für ein durchdachtes und hochwertiges Online-Konzept.

Wie man die aktuelle Situation trotzdem als Chance nutzt

Sinnvoll seine Zeit zu investieren ist wichtig und nicht, dass man möglichst alles macht.

Das klingt alles sehr negativ und pessimistisch? Vielleicht, jedoch gibt es auch Positives daraus zu lernen. 

Ich plädiere dafür, anstatt jetzt einfach mit dem sinnbildlichen Kübel zu versuchen, Unternehmen, die es aus diversen Gründen in den vergangenen 10 Jahren nicht geschafft haben, eine Webseite oder einen Webshop oder eine Social-Media-Präsenz aufzubauen, nicht auf Biegen und Brechen und im Eilverfahren einfach mit eben jenen Webseiten und Profilen zu „beglücken“. Vielmehr sollte man sich darauf besinnen, was das jeweilige Unternehmen in den letzten 10 Jahren erfolgreich gemacht hatte, und wie man diese Assets in den digitalen Bereich “übersetzen” und umsetzen kann.

Vielleicht ist die Lösung einfach ein Google My Business-Eintrag mit hübschen Fotos, Telefonnummer, Öffnungszeiten und einer Erklärung, wie man Beiträge erstellt. Vielleicht ist es eine kleine statische Webseite mit den wichtigsten Informationen zu den Produkten und einer Telefonnummer zum Anrufen. Vielleicht ist es auch ein Webshop. Aber meistens wird es nicht alles auf einmal sein.

Erklären statt machen

Ich habe gelernt, dass man den Nutzen von Dingen erklären muss, damit Vorschläge auch angenommen werden. Das bedeutet, dass man nun mehr denn je versuchen muss, KMUs und EPUs die Vorteile von Online-Kanälen zu erklären, die notwendigen Werkzeuge in die Hand zu geben, aber auch die Verwendung dieser Werkzeuge verständlich zu erklären. Einfach einen Webshop hinzustellen ist keine Lösung - und sei er noch so super modern und toll umgesetzt. Vielleicht ist es sinnvoller, ein Facebook-Profil einzurichten, einige Assets vorzuproduzieren und dem Kunden oder der Kundin zu erklären, wie sie mit ihrem Smartphone ganz einfach Postings, Angebote und Produkte auf ihrer Facebook-Page hinzufügen kann.

Langfristig denken, statt jetzt sofort alles machen

Auch wenn es verlockend ist, nun alles aufholen zu wollen, was man in den vergangenen 10 Jahren verschlafen hat, ist das einfach nicht möglich. Schon gar nicht in der aktuellen Situation. Dienstleister sowie Dienstnehmer sollten sich auf das Wesentliche besinnen und mit zuerst mit dem beginnen, was umsetzbar ist und den meisten “Value” bringt: eher eine gut funktionierende Facebook-Seite gemeinsam aufbauen, als einen Onlineshop, der alle Stückchen spielt.

Für jeden gibt es eine passende Lösung

Das bedeutet natürlich nicht, dass niemand eine Webseite oder einen Webshop braucht - schließlich biete ich diese ja auch selbst an. Die Aussage dieses Posts sollte vielmehr sein, dass es für jeden eine passende Lösung gibt. Für die einen ist es eine Webseite. Für andere vielleicht eine gut gemachte WhatsApp-Nachricht. Für wieder andere reicht eine Facebook-Seite, die man selbst einfach verwalten und aktualisieren kann. Und bei anderen macht ein richtiger Online-Shop wirklich Sinn. Aber man sollte sich gut überlegen, was man eigentlich erreichen möchte und welche Lösung einen näher an dieses Ziel bringt.

Positives zuletzt

Ich bin stark der Meinung, dass es nicht alle schaffen werden - leider. Aber ich bin auch der Meinung, dass wir alle mit viel neuem Wissen über die verschiedenen Möglichkeiten, die die Digitalisierung mit sich bringt, aus dieser Sache herausgehen werden. Angefangen mit der Realisierung, dass Remote-Working gut funktioniert und nicht jedes Meeting in Person stattfinden muss, über die Wichtigkeit von Social Media und einem direkten Kanal zu den Kunden zu neuen Denkweisen, wie man Dienstleistungen und Produkte bewerben und vermarkten kann, bis zum Erkennen der Grenzen von digitalen Lösungen.

Als Beispiel wie man die zuvor beschriebenen Konzepte effizient umsetzen kann hier ein von mir normalerweise sehr ungeliebter Kettenbrief per WhatsApp von einem Gemüselieferanten, der aufgrund der Krise keine Abnehmer für sein Gemüse hatte. Mittels einer einfachen WhatsApp-Nachricht, hat es das Unternehmen sogar geschafft eine Person aus der Zielgruppe zu erreichen, die es sonst vermutlich nie erreicht hätte - meine Oma.

Screenshot eines WhatsApp-Posts für die Bewerbung von Obstboxen.
Ein super Beispiel für eine WhatsApp-Nachricht, die sogar ich weitergeleitet habe - und meine Oma hat aufgrund dieser dann direkt per Telefon bestellt. Zielgruppe erreicht, günstig in der Erstellung und mit großer Wirkung.

Wir alle werden noch viel lernen. Und Lernen ist doch das Wichtigste und Spannendste, das man im Leben machen kann.

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